Gedenkveranstaltung

80. Jahrestag der Befreiung

Die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin gedachte am 8. Mai 2025 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung des 80. Jahrestags der Befreiung. Die Rede von Bürgermeisterin Sabine Löser wurde von kurzen Schauspielszenen und Musik begleitet, vorgetragen von Kindern der PELLE Musical Company.

Bevor die Bürgermeisterin gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Sven Templin, sowie den über 50 Anwesenden Kränze und Blumen niederlegte, ließ Gerhard Lang nach bewegenden Worten Friedenstauben steigen.

Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung kamen über 35 Menschen im Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Hennickendorf zu einem Zeitzeugengespräch zusammen. Vier Personen, die das Kriegsende selbst erlebt hatten, sowie zwei Zeitzeugenberichte, vorgetragen von den Heimatvereinen aus Rüdersdorf und Hennickendorf, gaben den Anwesenden einen emotionalen Einblick in die letzten Kriegstage.

Rede von Bürgermeisterin Sabine Löser (es gilt das gesprochene Wort):

"Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Anwesende,

„doch auch wir sind einst frei“ – eine Hoffnung, die sich für allzu viele Menschen nicht erfüllte. Zu viele erlebten diesen 8. Mai 1945 nicht. Viele hofften auf den Tag der Befreiung, auf das Ende von 12 Jahren Terrorherrschaft und 6 Jahren Krieg. Auf das Ende eines Krieges, an dessen Ende über 60 Millionen Menschen starben. Mehr als 20 Millionen auf den Schlachtfeldern, der Großteil davon in der Sowjetunion.

Mehr als 5 Millionen Tote in unserem Nachbarland Polen – fast alles Zivilistinnen und Zivilisten.

Darunter die unzähligen Opfer des Holocaust. Gedemütigt, deportiert, erniedrigt, gefoltert und brutal hingerichtet in Konzentrationslagern. Aus niederen, menschenverachtenden Gründen, weil die Menschen die falsche Hautfarbe, die falsche Religion, die falsche Weltanschauung oder Herkunft hatten.

 

Der 8. Mai – der Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches gilt daher zu Recht als Tag der Befreiung. Wir danken an diesem Tag unseren Befreiern – aus Ost und West.

Aber es wäre gelogen zu sagen, dass mit diesem Tag alles anders gewesen wäre. Gedankengut verschwindet nicht, Auseinandersetzungen folgten, mussten folgen. Je nach Herkunft, nach der persönlichen Familiengeschichte, nach der eigenen Ideologie wurden diese Auseinandersetzungen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten und bis heute unterschiedlich geführt.

Auch die Art der erhofften Freiheit nach 1945 entwickelte sich in den zwei Deutschen Staaten sehr unterschiedlich. In einem Land gab es ideologisch verordnet keine Nazis mehr. Das Grundverständnis hier im Osten war zutiefst antifaschistisch.

In dem anderen Land gab es eine Entnazifizierung, aber in den Verwaltungen und den Ministerien blieben viele Posten weiter besetzt.

Irgendwie zwei Lebenslügen, in beiden Gesellschaften. Ein Irrglaube, dass sich mit einem Datum, per Dekret, Ideologie, Staatsdoktrin oder was auch immer die Einstellung in den Köpfen ändern lässt.

Vielmehr ist ein permanenter Prozess der Aufarbeitung, der Konfrontation und des Zuhörens notwendig. Zuhören um zu verstehen, wohin Hass, Ausgrenzung, Diffamierung und die eigene Überhöhung führen kann. Zuhören um zu verstehen, dass eine freiheitlich, demokratische Verfasstheit, ein friedliches Europa eben keine Selbstverständlichkeit ist, sondern die es immer wieder neu zu erringen, zu verteidigen, mit Leben zu füllen und zu pflegen gilt.

[Musik und Schauspiel]

Wir müssen wachsam sein. Einerseits müssen wir aufpassen, Leute nicht zu verurteilen oder zu verunglimpfen, wenn sie nicht unserer Meinung sind. Wir dürfen sie nicht in die Fänge jener treiben, die Hass und Hetze streuen, die auch heute wieder menschenverachtende Ideologien verbreiten und in geheimen Runden von Deportationen träumen. Wir müssen akzeptieren – nein wir müssen es als Wert begreifen, dass es mehr als Schwarz und Weiß gibt, die vielen Grautöne und das Bunte, dass ist es, was zum Leben dazu gehört und was es zu bewahren gilt.

Andererseits ist es heute mehr denn je geboten, klare Kante zu zeigen. Lassen Sie uns nicht dem Narrativ folgen, man dürfe nix mehr sagen. Man darf in unserer freiheitlichen Demokratie alles sagen, sofern man sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt. Aber man muss es eben auch aushalten, wenn es Widerspruch gibt. Meinungsfreiheit besteht nicht darin, einseitig und agitatorisch seine Meinung zu verbreiten. Meinungsfreiheit heißt auch, den Dialog und den Wiederspruch auszuhalten und ihn als etwas Wertvolles zu akzeptieren.

Weil Dialog wichtig ist, weil Zuhören hilft zu verstehen und weil die Zeitzeugen weniger werden, freue ich mich, dass wir heute nach dem Ende des Gedenkens noch hier direkt nebenan bei unserer Feuerwehr zusammenkommen und uns mit jenen austauschen, die das Ende des Krieges hier in unseren Orten erlebt haben.

Bevor wir gleich die Blumen niederlegen, freue ich mich, dass wir auch heute wieder die symbolischen Friedenstauben steigen lassen. Die Welt ist in Aufruhr und irgendwie ist es verstörend und gleichsam hoffnungsgebend, wenn gerade in den aktuellen Tagen die Waffen in der Ukraine ruhen, weil man dem Ende des 2. Weltkrieges gedenkt. Vielleicht hilft dieses Gedenken auch zum Nachdenken – die Waffen endlich dauerhaft ruhen zu lassen.

Danke!"